Einem aktuellen Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge wird sich der Kunststoffabfall bis 2060 verdreifachen. Doch inzwischen sind die Menschen weltweit auf die Bedrohung der Umweltverschmutzung durch Kunststoff aufmerksam geworden und werden aktiv.
Kunststoff ist Teil unseres alltäglichen Lebens: Wir verpacken darin unsere Lebensmittel, es wird in unseren Autos und öffentlichen Verkehrsmittel verbaut und ist sogar Bestandteil unserer Kleidung. Seit den 1950er Jahren wurden 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff produziert, wovon fast 80 Prozent auf Mülldeponien landeten oder in die Umwelt gelangen. Laut OECD werden nur 9 Prozent erfolgreich recycelt.
Das leichte, robuste und wasserdichte Material bietet zwar viele Vorteile, bringt jedoch auch große Nachteile mit sich. Die meisten Kunststoffe sind nicht biologisch abbaubar und verbleiben daher über Hunderte von Jahren in der Umwelt, wodurch Ökosysteme geschädigt werden. Hinzu kommt, dass für die Produktion Erdöl verwendet wird, was negative Auswirkungen auf die Kohlenstoffemission hat. Die zunehmende Produktion von Kunststoffen aller Art hat zur Folge, dass Kunststoffteilchen fast überall auf der Erde, in den Ozeanen und sogar in unserem Körper zu finden sind. Das ist schädlich für unsere Gesundheit, die Natur und den Planeten.
Die Welt ist aufgewacht
Die Menge der weltweit anfallenden Kunststoffabfällen wird sich bis 2060 im Vergleich zu 2019 voraussichtlich verdreifachen, so der jüngste OECD-Bericht „Global Plastic Outlook: Policy Scenarios to 2060“. Der im Juli 2022 veröffentlichte Bericht befasst sich unter anderem mit den aktuellen politischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Kunststoffabfall und Umweltverschmutzung auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene und zeigt die wahrscheinlichen Veränderungen bis 2060 auf.
Unstrittig ist, dass der Bericht ein düsteres Bild zeichnet. Die Welt ist jedoch aufgewacht und hat die Bedrohung durch Kunststoff erkannt: Regierungen, Wirtschaft und Gemeinden auf der ganzen Welt werden zunehmend aktiv. Die Maßnahmen reichen dabei von Verboten und Steuern auf verschiedene Einwegkunststoffe über Investitionen in die Abfallsammlung und Richtlinien für weniger Kunststoffverpackungen bis zu Abfallsammelaktionen an Stränden.
Anfang 2022 verabschiedeten Staatschefs, Umweltminister und Vertreter von 175 Nationen eine Resolution der UN-Umweltversammlung in Nairobi, um die Umweltverschmutzung durch Kunststoff zu beenden und bis Ende 2024 ein internationales rechtsverbindliches Abkommen zu schließen. Der Leiter des UN-Umweltprogramms (UNEP) bezeichnete diesen Schritt als wichtigstes multilaterales Umweltabkommen seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015.
In einigen Teilen der Welt ist man sich zweifellos des Ausmaßes der Umweltverschmutzung durch Kunststoffabfälle bewusst, aber es ist noch ein weiter Weg bis zur Lösung des Problems.
Ökonomen der ING haben fünf Schritte zusammengetragen, die es für mehr Nachhaltigkeit (und vor allem weniger Kunststoff) zu betrachten gilt:
- Maßnahmen ergreifen – Nichtstun ist keine Option: Einem von der Umweltschutzorganisation WWF in Auftrag gegebenen Bericht zufolge belaufen sich die Kosten, die der Gesellschaft, der Umwelt und der Wirtschaft allein durch den im Jahr 2019 produzierten Kunststoff entstehen, auf 3,7 Billionen US-Dollar – das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt von Indien. In Anbetracht des zu erwartenden Konsumanstiegs werden die Ozeane bis 2050 mehr Kunststoffpartikel als Fische enthalten. Bis dahin wird die Kunststoffindustrie 20 Prozent der gesamten Ölproduktion und 15 Prozent des jährlichen CO2-Haushalts verbrauchen.
- Die Herausforderung kennen: Recycling ist nicht trivial und ein Kreislaufmodell für Kunststoff zu entwickeln, ist äußerst schwierig. Die meisten Lebensmittelverpackungen, eine der größten Verursacher von Kunststoffabfall, können aus Gründen der Lebensmittelsicherheit nicht wiederverwendet werden. Hinzu kommt, dass Kunststoffe mit jedem weiteren Recycling- Zyklus abbauen und somit ihren Nutzen einbüßen. Auch können Kunststoffe nicht einfach gegen Alternativen wie Papier oder Glas ausgetauscht werden, da diese ebenfalls erhebliche Umweltbelastungen mit sich bringen.
- Den Kunden zuhören: Es ist wichtig, das veränderte Verbraucherverhalten als Triebfeder für den Wandel zu erkennen. Die Marktmacht, die Verbraucher haben, könnte die Transition vom linearen Modell einer Konsum- und Wegwerfgesellschaft zu einem Kreislauf-Modell bewirken. So hat beispielsweise die sich ändernde Nachfrage von Verbrauchern Unternehmen dazu gebracht, auf Plastikstrohhalme zu verzichten. Zum Tag der Erde 2022 gab Footprint – ein weltweit tätiges Unternehmen für Materialforschung und Technologie, das sich zum Ziel gesetzt hat, unseren Planeten sauberer zu machen – bekannt, dass es seit 2019 mehr als eine halbe Milliarde Strohhalme auf Pflanzenbasis verkauft habe und so große Fast-Food-Ketten dabei unterstützt hat, auf die Verwendung von Plastikstrohhalmen zu verzichten.
- Standards setzen: Regierungen müssen Vorschriften auferlegen und Anreize für das erwünschte Verhalten schaffen, um Erfolge zu erzielen. Der geschlossene Kreislauf des Recyclings von PET-Flaschen in Deutschland zeigt beispielsweise, was erreicht werden kann: Die Rücklaufquote von Flaschen liegt in Deutschland bei 98 Prozent. In Litauen stieg die Rückgabequote für Getränkeverpackungen in weniger als zwei Jahren von 34 Prozent auf 92 Prozent, nachdem 2016 ein entsprechendes System eingeführt wurde.
- Viele Lösungen sind gefragt: Es gibt viele Möglichkeiten, Recyclingquoten zu erhöhen, die Kunststoffproduktion zu reduzieren und den Einsatz von Biokunststoffen zu fördern. Veränderungen an der Kunststoffzusammensetzung, um das Recycling zu erleichtern, und Steuern, Subventionen und Anreize spielen dabei eine wichtige Rolle. Je nach Markt oder Land können dafür unterschiedliche Lösungen oder Lösungskombinationen sinnvoll sein: Welche Lösungen angewendet und wie sie kombiniert werden, wird sich im Laufe der Zeit wahrscheinlich ändern, wenn sich die Technologie weiterentwickelt.
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