Die neue Ampel-Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag viel vorgenommen: eine „Dekade der Modernisierung“ anzustoßen, verstärkt in Infrastruktur zu investieren und dadurch die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen. Am 12. Januar präsentierte Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck seine „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ und kündigte Maßnahmen an, die schon 2023 in Kraft treten könnten. Was genau plant die Bundesregierung? Reichen diese Maßnahmen und welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich dadurch für Unternehmen?
Maßnahmen der Bundesregierung
Bereits vor der Sommerpause soll das erste Gesetzespaket verabschiedet werden. Das sogenannte „Osterpaket“ umfasst vor allem dringende Gesetze und Verordnungen, die sich auf den Ausbau von erneuerbaren Energien fokussieren. Heute liegt der Anteil der erneuerbaren Energien bei rund 40 Prozent, bis 2030 sollen sie bei steigendem Energiebedarf 80 Prozent des Strommixes ausmachen. Dafür setzt Habeck vor allem auf schnellere Planungsverfahren für Wind- und Solaranlagen. Zwei Prozent der Fläche Deutschlands sollen künftig für Windenergie bereitgestellt werden. Auch die Güterschutzabwägung soll reformiert werden, um Windkraftanlagen einen Vorrang einzuräumen. Um beim Ausbau der Erneuerbaren effektiv voranzukommen, benötigt Habeck die Kooperation der Bundesländer. Ob die ehrgeizigen Zeitpläne realisierbar sind, hängt maßgeblichen davon ab, ob Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen.
Auch bei Photovoltaik-Anlagen (PV) drückt das Ministerium aufs Tempo. Bis 2030 soll die installierte Leistung verdreifacht werden, auf 200 Gigawatt. Bei gewerblichen Neubauten soll die Nutzung von PV-Anlagen zur Pflicht werden, im privaten Bereich zur Regel. Außerdem sollen ab 2025 neu eingebaute Heizungen auf Basis von mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden müssen.
Eine gute Nachricht für Unternehmen: die Bundesregierung bekennt sich auch weiterhin zu den sog. „Carbon Contracts for Difference“ (CCfD). Damit sind Differenzverträge gemeint, die klimafreundliche Technologien gegenüber herkömmlichen Technologien wettbewerbsfähig machen und somit die Wirtschaft bei der Transformation zum nachhaltigen Wirtschaften unterstützen.
Dem Osterpaket soll ein Sommerpaket folgen, dass noch nicht detaillierter vorliegt. Mit einem anschließenden Klimaschutz-Sofortprogramm soll dann die Gesetzgebung bis Ende des Jahres bereits abgeschlossen sein.
Weitere Ansätze
Aber reichen diese Maßnahmen, um Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen? Das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) schätzt, dass es auch im Jahr 2045 noch zwischen 5 und 10 Prozent der aktuellen CO2-Emissionen in Deutschland geben wird.[1] Diese Restemissionen sind entweder nicht oder nur zu sehr hohen Kosten vermeidbar, weswegen das MCC Chancen in der CO2-Entnahme sieht, als zusätzliche Maßnahme zur Treibhausgas-Reduzierung. Auch das am 18. Februar 2022 veröffentlichte Jahresgutachten der Wissenschaftsplattform Klimaschutz fordert eine nationale Negativemissionsstrategie, um möglichst zeitnah Forschung und Entwicklung zu unterschiedlichen CO2-Entnahmetechnologien und -praktiken zu fördern.[2]
Bei CO2-Entnahmen handelt es sich um den Entzug von CO2 aus der Atmosphäre mithilfe von „natürlichen“ Methoden wie landwirtschaftlichen Praktiken oder speziell entwickelten Technologien wie beispielsweise Luftfiltern. Laut MCC könne Deutschland eine entscheidende Rolle als Technologie- und Innovationsstandort bei der Etablierung von CO2-Entnahmetechnologien spielen, sofern die Politik rechtzeitig die dafür notwendigen Rahmenbedingungen setzt.
Finanzierungsbedarf
Die Dekarbonisierung erfordert eine umfangreiche Transformation der Wirtschaft, die alle Sektoren betrifft: Energieunternehmen wie Netzbetreiber werden einen erhöhten Finanzierungsbedarf haben, um den Umstieg auf erneuerbare Energien leisten zu können. Die gesamte Immobilienwirtschaft muss sich mit der Sanierung und dem Neubau nach aktuellen klimafreundlichen Standards befassen. Die energieintensive Industrie muss ihre Produktionsmodelle grundlegend auf den Prüfstand stellen.
Gleichzeitig öffnen die Klimaschutzmaßnahmen auch die Chance für neue Geschäftsmodelle wie beispielsweise der bundesweite Ausbau von Ladeinfrastruktur oder die verstärkte Installation von (privaten) Solaranalagen. Bei all diesen Vorhaben spielen Banken eine zentrale Rolle, um die Umstellung auf eine klimafreundliche Wirtschaft zu ermöglichen.
[1] Die Politik muss jetzt das Thema CO2-Entnahmenhttps://www.mcc-berlin.net/news/meldungen/meldungen-detail/article/die-politik-muss-jetzt-das-thema-co2-entnahmen-anpacken.html?s=09 anpacken - Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) (mcc-berlin.net)
[2] Auf dem Weg zur Klimaneutralität: Umsetzung des European Green Deal und Reform der Klimapolitik in Deutschland | Jahresgutachten 2021 der Wissenschaftsplattform Klimaschutz, https://www.wissenschaftsplattform-klimaschutz.de/files/WPKS_JGA_Volltext.pdf