Die EU möchte bis 2050 zur ersten klimaneutralen Staatengemeinschaft der Welt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, konkretisiert der „EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ mit dem „European Green Deal“ die notwendigen Maßnahmen für den Finanzmarkt. Immobilienfinanzierungen bilden für das Erreichen des großen Zieles einen zentralen Baustein. Damit kommt Pfandbriefbanken eine tragende Rolle zu.
Lange vor dem Green Deal hat sich der Finanzsektor zu seiner Verantwortung für die Bekämpfung des Klimawandels bekannt. Seit 2006 haben mehr als 3.000 Investoren die „Principles for Responsible Investment“ und seit 2019 30 Banken die „Principles for Responsible Banking“ unterzeichnet. Sämtliche dieser Akteure wollen bewusst eine aktive Rolle bei der Steuerung der Kapitalflüsse hin zu nachhaltigem Wachstum einnehmen. Außerdem haben sich Banken in Initiativen wie etwa Terra oder Net Zero Alliance Banking verpflichtet, über die Fortschritte bei der klimaneutralen Ausrichtung ihrer Bankbilanzen Rechenschaft zu leisten.
Verantwortung ist essenziell
Diese Übernahme von Verantwortung durch Akteure des Finanzsektors ist essenziell. Ob Banken, Kapitalsammelstellen oder Vermögensverwalter – sie alle besitzen maßgeblichen Einfluss bei der Finanzierung der Klimatransformation der Wirtschaft. Den Immobilienfinanzierern kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Wohn- und Gewerbeimmobilien stehen in Europa für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und für etwa 36 Prozent des CO₂- Ausstoßes. Zudem sind 35 Prozent der Bestandsimmobilien älter als 50 Jahre. Daher liegt der Fokus von Immobilienfinanzierern bei der Kreditvergabe auf Projekten, die Energie einsparen sowie auf Renovierungsmaßnahmen.
Mit dem Bekenntnis der Pfandbriefbanken zur Finanzierung von energieeffizienteren Projekten wurden nicht nur finanzielle Anreize bei der Kreditvergabe gesetzt, sondern auch „grüne“ Refinanzierungsinstrumente geschaffen. So entwickelten die Mitgliedsinstitute des Verbandes Deutscher Pfandbriefbanken (vdp) neben unbesicherten grünen Anleihen auch Mindeststandards für die Begebung eines grünen Pfandbriefs. Auf europäischer Ebene arbeitet der vdp mit dem European Covered Bond Council (ECBC) an dem ‚Energy Efficient Mortgage Label (EEML), um die Standards und die Transparenz der grünen Immobilienkredite zu erhöhen.
Parallel zur Privatwirtschaft entwickelte die EU-Kommission im Rahmen des EU-Aktionsplans die EU-Taxonomie-Verordnung. Sie wird angewendet sowohl bei Finanzmarktteilnehmern, zum Beispiel Kapitalsammelstellen als auch bei Unternehmen, die der Offenlegungspflicht der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) in Bezug auf die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) unterliegen. Hinzu kommen technische Kriterien in Bezug auf Finanzprodukte oder Unternehmensanleihen, die als nachhaltig angeboten werden.
Komplexes Rahmenwerk
Bei der EU-Taxonomie handelt es sich um ein komplexes Rahmenwerk, da sie die Vielfalt der Finanzierungsszenarien in der EU darzustellen und die Transparenz zu erhöhen versucht. Die Veröffentlichung des Delegierten Aktes im April dieses Jahres regte eine Debatte um die Konsistenz, Umsetzbarkeit und Vergleichbarkeit der Daten innerhalb der EU an. So zielt ein Kritikpunkt auf die Beschaffung von Energiezertifikaten für Gebäude, die vor 2021 erstellt wurden. Anders als etwa in den Niederlanden besteht in Deutschland dafür kein zentrales Datenregister. Des Weiteren mangelt es an der internationalen Vergleichbarkeit der Zertifikate. Vor dem Hintergrund der regionalen Verteilung der Immobilienfinanzierungen der deutschen Pfandbriefbanken zeigt sich, dass durchschnittlich 30 bis 40 Prozent der Finanzierungen im Ausland, vornehmlich der EU, aber auch außerhalb wie in Großbritannien, den USA und Kanada, getätigt werden. Daher ist das präzise Verständnis der jeweiligen nationalen Methoden und Bewertungsmaßstäbe der Energieausweise unabdingbar. Der vdp unterstützt die laufenden Harmonisierungsbestrebungen.
Äquivalent zu den Offenlegungspflichten der Unternehmen sind gemäß Artikel 8 der Taxonomie Banken und Investmentfirmen ab dem Berichtsjahr 2022 verpflichtet, Kennzahlen zur Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsmodelle zu publizieren.
Eine Hauptkennzahl für Banken ist dabei die ‚Green Asset Ratio‘ (GAR). Sie misst den Anteil der Taxonomie-konformen Finanzaktivitäten im Bankbuch, wie etwa ausgereichte Kredite, Schuldverschreibungen und Beteiligungen, im Verhältnis zu allen Finanzaktivitäten. Die GAR gilt grundsätzlich für die Aktivitäten in EU-Ländern, jedoch sollten die Institute möglichst sämtliche internationalen Aktivitäten klassifizieren. Die Kalibrierung der GAR wird entweder auf den Pflichtveröffentlichungen der Unternehmen oder auf der Anwendung der technischen Bewertungskriterien der Taxonomie beruhen.
Laut der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA fällt der globale Immobiliensektor bei den indikativen Berechnungen mit 29 Prozent ins Gewicht. Die Immobilienfinanzierungen haben deshalb einen so großen Anteil an der GAR, da sie über die Baufinanzierungen an Haushalte als auch über Kredite an KMU sowie an Unternehmen im Bau- und Immobiliensektor und im öffentlichen Wohnungsbau auf vielfältige Weise zum Tragen kommen.
Im Hinblick auf die international bislang schwer vergleichbaren technischen Bewertungskriterien für Gebäude schlägt die EBA eine dreijährige Übergangszeit zur Datenerhebung für Immobilienkredite und die zwischenzeitliche Anwendung von Proxies vor (zum Beispiel das Baujahr oder die Top 15 Prozent beim Primärenergiebedarf).
GAR setzt wirksame Anreize
Die EBA unterbreitete in ihrem Entwurf zur GAR noch keinen Mindestwert. Es ist jedoch zu erwarten, dass Anleiheinvestoren bei Vorliegen entsprechender Datenqualität, wie auch bei anderen Finanzkennzahlen, etwa der Eigenkapital- und Liquiditätsquoten und Kreditratings, ein Benchmarking der Emittenten vornehmen. Die GAR könnte daher zusätzlich die Risikoprämie für entsprechende Banktitel beeinflussen und somit ceteris paribus zu einer Präferenz von Schuldtiteln mit besserer GAR führen. Letztendlich wird die GAR wohl für Banken wirksame Anreize setzen, um weiterhin zur grünen Transformation der Wirtschaft beizutragen.
Investmentgesellschaften müssen seit März dieses Jahres zum Inkrafttreten der SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) belegen, wie ihre Investmentfonds Nachhaltigkeitskriterien abbilden. Ihre Fondsprodukte werden je nach Gestaltung und Vermarktung in Kategorien unterteilt wie etwa Finanzprodukte mit ökologischen oder sozialen Merkmalen (Art.8 Light Green) oder Finanzprodukte mit einer angestrebten Nachhaltigkeitswirkung (Art. 9, Dark Green, beispielsweise Reduzierung von CO₂-Emissionen; Schaffung von bezahlbarem Wohnraum). Die SFDR wird ein bedeutender Wachstumstreiber für den Kapitalmarkt mit nachhaltigen Anleihen sein und dazu beitragen, den Bedarf von Asset Managern an nachhaltigen Vermögenswerten zu erhöhen. Schließlich erhöhen Investitionen in Fondsprodukte gemäß Artikel 8 oder 9 die ESG-Performance der Fonds und der Investmentgesellschaft selbst.
Damit schließt sich der Kreis zu den Emittenten, die ihrerseits mehr nachhaltige Schuldtitel emittieren werden, sofern sie ausreichend zugrundeliegende Vermögenswerte klassifiziert haben. Der Prozess der vollständigen Datenerhebung wird eine Übergangszeit erfordern. Im Rahmen der relativen Bewertung gegenüber traditionellen Anleihen sollte bereits die Dysbalance zwischen Angebot und Nachfrage von nachhaltigen Anleihen einen positiven Effekt auf die Performance der grünen Anleihen mit einem entsprechenden ‚Greenium‘ aufweisen.
Derzeit befindet sich der Kapitalmarkt noch in einer Übergangsphase mit weiterem Abstimmungsbedarf zwischen den Institutionen. In dieser Transitionsphase empfiehlt sich für die Pfandbriefbanken eine weiterhin engmaschige und offene Kommunikation sowohl mit ihren Kreditnehmern als auch mit ihren Anleiheinvestoren, um die Kanalisierung von Kapital in nachhaltige Projekte zu gewährleisten – und somit den eigentlichen Auftrag des EU-Aktionsplans zu erfüllen.
Gastbeitrag von Ute Hesse, Managing Director & Co-Head of Financial Institutions & Public Sector,
03.07.2021, Börsen-Zeitung