Regionale Krisen werden zunehmend zu einer Herausforderung. So zeichnen sich im China-Geschäft potentielle Risiken ab, bei deren Analyse dem Treasury eine Schlüsselrolle zukommt.
Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energieknappheit, Lieferkettenengpässe – weltweit haben Krisen in Art, Umfang und Häufigkeit zugenommen. Lange Zeit waren Pandemien oder bewaffnete Konflikte aus deutscher Sicht regionale Ereignisse, mit begrenzten Auswirkungen vor allem für die Unternehmen, die in diesen Gebieten tätig waren. Spätestens die Lockdowns in China zur Bekämpfung der Corona-Pandemie oder der russische Angriff auf die Ukraine haben jedoch globale Effekte hervorgerufen und viele Unternehmensmodelle auf die Probe gestellt.
Die Auswirkungen weiterer Lockdowns oder anderer Ereignisse, die Lieferketten von und nach China beeinträchtigen, würden die deutsche Wirtschaft stark treffen: 2021 war China mit einem Volumen von 103,7 Milliarden Euro der zweitwichtigste Abnehmer deutscher Güter nach den USA. Umgekehrt liegt die Volksrepublik bei den Importen nach Deutschland mit 142,3 Milliarden Euro auf Platz eins.
Wird China für deutsche Unternehmen zur nächsten Risikoquelle? Immerhin befürchten laut einer gemeinsamen Umfrage von Deutscher Außenhandelskammer und KPMG rund 55 Prozent der in China tätigen deutschen Unternehmen negative Auswirkungen des sogenannten Decouplings auf ihr Geschäft. Seit über einem halben Jahr ist zu beobachten, dass Unternehmen verstärkt Schlüsse aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie ziehen und mit Blick auf ihr China-Geschäft ihre starke Abhängigkeit hinterfragen.
Eine Frage der Finanzierung
Der Umgang mit solchen Risiken wird in den kommenden Jahren auch die Arbeit des Treasurers bestimmen. Da ist zum einen die Frage, in welchen Bereichen künftig Finanzierungsbedarf besteht. Die Unterbrechung wichtiger Lieferketten durch die Pandemie-Maßnahmen hat den Unternehmen drastisch vor Augen geführt, welche Risiken eine „Just-in-time-Logistik“ birgt. Der Aufbau starker lokaler Lagerkapazitäten und eine den Cashflow belastende vermehrte Lagerhaltung wären aus Sicht hiesiger Unternehmen eine logische Konsequenz. Aber auch der Aufbau von Produktionsanlagen außerhalb Chinas macht Vorfinanzierungen notwendig. Noch verfolgen viele Unternehmen bei diesen Fragen einen „Wait-and-see“-Ansatz, eine langfristige Materialisierung des Bedarfs ist jedoch wahrscheinlich.
2021 war China der zweitwichtigste Abnehmer deutscher Güter
Demgegenüber steht die Frage, wie der kurz- und langfristige Finanzierungsbedarf gedeckt werden kann. Punktuell ist es denkbar, dass China – politisch motiviert – etwa den Ankauf von Bonds und Schuldverschreibungen einstellt. Das Treasury sollte deshalb frühzeitig Transparenz über die bisherigen Finanzierungsquellen und Investoren schaffen und damit potentielle Bedarfe und Abhängigkeiten identifizieren. Dieser Schritt ist auch gegenüber den Bankpartnern ratsam. Denn für sie geht es dabei nicht allein um die wirtschaftliche Situation des Kunden.
Ebenso sollte das Treasury das Management frühzeitig für mögliche finanzielle Auswirkungen mit Blick auf China-Abhängigkeiten sensibilisieren und gleichzeitig die Finanzierungsstrukturen anpassen sowie entsprechende Puffer für Unwägbarkeiten aufbauen. Dabei sollten auch die Bankenpartner ins Boot geholt werden. So können sie ihre Risikoerwägungen anpassen und eigenes Know-how bei Transitionsfinanzierungen zielgerichtet einbringen.
Gastbeitrag von Nikola Kopp, Head Corporate Lending und Ko Osinga, Lead Credit Risk, 23.09.2022, DerTreasurer 03/2022