Donald Trump ist seit drei Wochen im Amt und die Ära der Unberechenbarkeit hat begonnen, so unser Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Der Glaube, dass Trump nur bellen und nicht beißen würde, hat sich als falsch erwiesen. In seiner zweiten Amtszeit scheint er besser vorbereitet und entschlossener zu sein, die Wahlkampfversprechen einzulösen.
"Make America great again" - das versprach Donald Trump im Wahlkampf. Mithilfe von Steuersenkungen und Deregulierung, die ein unternehmensfreundliches Umfeld schaffen sollen, durch eine harte einwanderungsfeindliche Haltung zur Stärkung des inländischen Arbeitsmarktes und durch eine strenge Handelspolitik zur Steigerung der inländischen Produktion will der neue US-Präsident dieses Ziel erreichen. Unmittelbar nach seiner Amtseinführung unterzeichnete Trump verschiedene Dekrete, zum Beispiel den Austritt aus der WHO und dem Pariser Klimaabkommen, den Beginn von Abschiebungen oder die Einrichtung des "Department of Government Efficiency". All diese Maßnahmen folgen der konservativen Agenda des „Project 2025“ - einem Projekt, dem Donald Trump seine Unterstützung im Wahlkampf stets verwährt hatte.
Mit Blick auf mögliche Steuersenkungen und Zölle hatte Trump in seinen ersten Tagen im Amt nicht die gleiche Schnelligkeit gezeigt, Änderungen durchzusetzen - bis jetzt. Vor mehr als einer Woche kündigte Trump Zölle auf kanadische, mexikanische und chinesische Waren an. Mit Mexiko und Kanada wurden jedoch kurzfristig Vereinbarungen getroffen, die zu einer Verschiebung dieser Zölle um einen Monat führten. Mit China gab es kein solches Abkommen. Stattdessen kündigte Peking Vergeltungszölle an. Außerdem erklärte Trump am Abend des Super Bowl, dass er Importzölle von 25% auf Aluminium und Stahl erheben würde - wovon Kanada, Brasilien und Mexiko besonders betroffen wären. Darüber hinaus, so Trump, würden Zölle auf importierte Waren aus jedem Land erhoben, das Zölle auf US-Waren erhebt.
Durch die anhaltend hohe Anzahl von Schlagzeilen und das Hin und Her von Ankündigungen ist es zwar nicht einfach, aber notwendig, einen ersten Blick auf die makroökonomischen Konsequenzen der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps zu werfen.
Was bedeutet Trump 2.0 für die USA?
Kurzfristig dürften Trumps America-First-Politik und vor allem der "pro-business"-Ansatz positive Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben. Unternehmen, die bislang bei Investitionen zurückhaltend waren, beginnen nun voraussichtlich eher damit, Ausgaben zu tätigen, weil die Rahmenbedingungen für Unternehmen günstiger sind und die Unternehmenssteuern, die Deregulierung und (sogar) die Energiepreise niedriger sind. Die längerfristigen Aussichten sind jedoch weniger optimistisch. Der US-Arbeitsmarkt ist stark von ausländischen Arbeitskräften abhängig, insbesondere im Dienstleistungs- und Bausektor. Etwa ein Viertel aller Beschäftigten in diesen Branchen sind im Ausland geborene Arbeitnehmer. Insgesamt liegt der Anteil der im Ausland geborenen Arbeitnehmer an der Gesamtbeschäftigung in den USA bei etwa 20% - gegenüber etwa 15% vor zehn Jahren. Eine verringerte Einwanderung könnte daher in Zukunft zu einem Haupthindernis für die US-Wirtschaft werden, und gleichzeitig den Lohn- und Inflationsdruck erhöhen.
Auch Trumps Handelspolitik dürfte nach hinten losgehen. Aus zwei Gründen: Erstens werden die Einfuhrzölle nicht vom ausländischen Hersteller, der in die USA exportiert, sondern vom US-Importeur in Form einer zusätzlichen Steuer gezahlt. Der US-Importeur hat dann zwei Möglichkeiten: die Zusatzsteuer in voller Höhe zu tragen und so die Gewinnspannen zu verringern oder sie an die Verbraucher weiterzugeben. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Letzteres eher eintreten wird. Die Folge sind höhere Verbraucherpreise, also eine höhere Inflation. Zumindest, wenn die US-Verbraucher nicht in der Lage sind, importierte Waren durch im Inland produzierte Waren zu ersetzen. Und selbst wenn die Verbraucher sie ersetzen könnten, könnten die US-Produzenten ihre Gewinnmargen erhöhen. Auf der anderen Seite werden Länder, die US-Zöllen unterliegen, wahrscheinlich reagieren. So zum Beispiel China, das auf die Einführung eines allgemeinen Zolls von 10% auf chinesische Waren reagierte, indem es seinerseits Zölle von 15% auf Kohle und von 10% auf Rohöl, landwirtschaftliche Maschinen, große Verdrängungsfahrzeuge und Pickup-Trucks aus den USA verhängte.
Insgesamt wird „America First“ in erster Linie zu einer höheren Inflation in den USA führen - nicht nur aufgrund von Zöllen, sondern auch aufgrund eines potenziell angespannten Arbeitsmarktes. Es ist unwahrscheinlich, dass die Trump-Regierung in der Lage sein wird, den Inflationsdruck durch Deregulierung und erhöhte Energieproduktion zu verringern. Für die Fed bedeutet dies, dass der Spielraum für Zinssenkungen begrenzt sein dürfte. Die Finanzmärkte erwarten derzeit eine bis maximal zwei Zinssenkungen der Fed von jeweils 25 Basispunkten bis zum Jahresende.
Längerfristig könnten die Wachstumsaussichten auch durch Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gedämpft werden. Trumps Ausgabenpläne werden schwer zu finanzieren sein, die Einnahmen aus Importzöllen werden nicht ausreichen. Dementsprechend werden die Anleger wahrscheinlich eine höhere Risikoprämie für die Kreditvergabe an die USA fordern, was zu höheren Anleiherenditen führt. Infolgedessen würden die Kreditzinsen steigen, was die Investitionstätigkeit von Unternehmen und privaten Haushalten längerfristig wahrscheinlich dämpfen würde.
Was bedeutet Trump 2.0 für Europa?
Für Europa ist ein wirtschaftlicher Albtraum wahr geworden. Der Kontinent befindet sich bereits ohne die Gefahr eines drohenden Handelskriegs oder weiterer Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit nicht wirklich in einer gesunden wirtschaftlichen Lage. Die Wirtschaft der Eurozone wuchs 2024 um 0,7%, wobei sich die Erholung, die zu Jahresbeginn eingesetzt hatte, gegen Jahresende verlangsamte. Die anhaltende Schwäche der Industrie belastete die Wirtschaftstätigkeit besonders stark. Mit Blick auf die Zukunft, bei monatlich schrumpfenden Auftragsbeständen und weiterhin hartnäckig hohen Lagerbeständen, gibt es noch keine Anzeichen für eine Erholung der Industrie. Auch der private Konsum bietet der Wirtschaft der Eurozone noch keine nennenswerte Unterstützung, und angesichts der hohen Unsicherheit, die sowohl durch die Wende auf dem Arbeitsmarkt als auch durch die politischen Spannungen in verschiedenen Mitgliedsstaaten entsteht, ist es unwahrscheinlich, dass die Verbraucher zu Hilfe kommen. Zumindest nicht im ersten Halbjahr.
Die Möglichkeit von Zöllen auf europäische Waren und die drohende Eskalation zu einem Handelskrieg setzen die wirtschaftlichen Aussichten noch stärker unter Druck. Es ist wahrscheinlich, dass Zölle erhoben werden - die Frage ist nur, wann und in welchem Umfang. Je nachdem, wie umfangreich die Handelsbeziehungen zu den USA sind, werden die Mitgliedsstaaten der Eurozone unterschiedlich betroffen sein. Die ohnehin schon angeschlagene deutsche Automobilindustrie zum Beispiel würde besonders hart getroffen. Noch schlimmer ist jedoch die Tatsache, dass Trumps Deregulierung, Entbürokratisierung und bereits jetzt niedrigere Energiepreise in den USA, Europas Wettbewerbsfähigkeit voraussichtlich zusätzlich untergraben werden. Die USA entwickeln sich zunehmend zu einem attraktiveren Wirtschaftsstandort, während strukturelle Schwächen und politische Unsicherheiten vor vielen Toren Europas Europa zunehmend unattraktiv machen.
Aufgrund der angespannten politischen Lage in vielen europäischen Ländern erscheint eine rechtzeitige Umsetzung der notwendigen Schritte, um mit Trump wirtschaftlich umzugehen, unwahrscheinlich. Dementsprechend wird zunächst die EZB die Schwerstarbeit leisten müssen. Da die Gefahr eines völlig ausgewachsenen Handelskrieges zwischen Europa und den USA die Wachstumsaussichten zusätzlich belastet, ist dies umso wichtiger. Angesichts der schwachen Konjunkturaussichten - mit mehr Abwärts- als Aufwärtsrisiken - erwarten wir, dass die EZB den Einlagenzins unter das neutrale Niveau bringen wird. Die beste Antwort auf Trumps Unberechenbarkeit wäre jedoch ein klarer Versuch, die heimische Wirtschaft durch Investitionen und Reformen zu stärken.