Eine wichtige Aufgabe des Treasury ist es, den Überblick über die Gesamtliquidität zu behalten und die Finanzierungskosten zu steuern. Ein Multi-Currency Notional Pooling kann dabei helfen.
Das Liquiditätsmanagement international tätiger Unternehmen ist komplex. Niederlassungen und Tochterunternehmen weisen häufig unterschiedliche Liquiditätsanforderungen auf, die im Zeitverlauf variieren können. Ein breites Währungsspektrum sorgt für zusätzliche Herausforderungen. Um die verfügbare Liquidität optimal zu nutzen und Finanzierungskosten gering zu halten, sollte das Treasury möglichst zeitnah und umfassend ein Bild der konzernweiten Liquiditätssituation abrufen können. Physisches Cash-Pooling, bei dem die Salden der Tochtergesellschaften auf ein zentrales Masterkonto der Muttergesellschaft transferiert werden, hilft nur bedingt, da es hohe Kosten mit sich bringt, die aus Währungsumrechnungen und Inter-Company-Darlehen beim Eigentümerwechsel der Liquiditätspositionen resultieren. Auch kann es sinnvoll sein, die Liquidität bei den Tochtergesellschaften zu belassen, damit diese gegebenenfalls schnell handlungsfähig sind.
Auch Notional Pooling, bei dem Salden nicht physisch übertragen, sondern fiktiv verrechnet werden, löst die Problematik nicht, da es von Banken in der Regel ohne Währungsverrechnung angeboten wird. Die Ziele eines zentralen Zugriffs auf die Liquidität in den einzelnen Ländern und die Optimierung des Zinsergebnisses werden damit nicht voll erreicht.
An dieser Problematik setzt das Multi-Currency Notional Pooling an, das nur wenige Banken anbieten. Dahinter steckt ein Overlay-Konzept, bei dem für lokale Währungskonten ein Spiegelkonto in gleicher Währung bei einer Spezialbank wie der Bank Mendes Gans eingerichtet wird. Der Übertrag der Liquidität zwischen lokalen und Spiegelkonten erfolgt - in beide Richtungen - physisch und kann durch die Bank automatisiert durchgeführt werden. Die Spiegelkonten bilden den Multi-Currency Cash Pool des Unternehmens und ermöglichen dem Treasury die volle Übersicht über die Liquiditätssituation der Töchter.
Keine Konvertierungskosten
Die Ermittlung des Gesamtsaldos dieses Pools erfolgt auf Basis des EZB-Fixings. Das Treasury kann über den gewünschten Betrag in der Währung seiner Wahl verfügen. Da dieser Schritt ohne physischen Übertrag zwischen den einzelnen Pool-Konten stattfindet, fallen keinerlei Konvertierungskosten auf Ebene des Gesamt-Pools an, und die Währungspositionen der einzelnen Konten bleiben unberührt. Entsprechend verringert sich der tägliche Aufwand im Währungsmanagement, das so deutlich strategischer betrieben werden kann. In der Regel lassen sich viele Währungen abbilden. Der Kontenausgleich kann – wenn die technischen Möglichkeiten der lokalen Banken es erlauben – mehrmals täglich stattfinden und ermöglicht so ein besonders aktuelles Bild der Situation und einen untertägigen Zugriff auf die Gesamtliquidität.
Ist ein Multi-Currency Notional Pooling etabliert, lassen sich die Liquiditätsüberschüsse und -defizite im Einklang mit rechtlichen Vorgaben managen, ohne eine aufwendige Inter-Company-Loan-Lösung aufzusetzen. Auch für die Niederlassungen ist das Overlay gegenüber anderen Pooling-Modellen einfacher, da ihre Cash-Management-Prozesse und die Anbindung an lokale Banken weitestgehend unberührt bleiben - mit Blick auf die Kundenbeziehungen vor Ort ein wichtiger Faktor.
Gastbeitrag von Andreas Gottlieb, Director Transaction Services ING Wholesale Banking Germany, 10.06.2022, DerTreasurer 02/2022