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Wholesale Banking

Biodiversität: Warum sie auch bei Finanzierungen Triebfeder sein sollte

Die „grüne“ Transformation zählt bei Unternehmen heute zum Mainstream. Die Notwendigkeit, den negativen Einfluss wirtschaftlichen Handelns auf Umwelt und globale Ressourcen zu reduzieren, ist größtenteils unbestritten (auch wenn es bei Zeitplan und Umfang der Umsetzung immer wieder Kontroversen gibt). Galt die Aufmerksamkeit bei dem Thema zunächst vor allem dem Klimawandel und dessen Auslöser, den CO2-Emissionen, rückt seit einigen Jahren verstärkt die Biodiversität in den Mittelpunkt.

Eine breite Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten ist für die Menschheit von existenzieller Bedeutung. Mehr als 75 Prozent der weltweiten Nutzpflanzen sind auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen, rund vier Milliarden Menschen nutzen in erster Linie Naturheilmittel für ihre Gesundheitsvorsorge und fast 70 Prozent der weltweiten Krebsmedikamente basieren auf natürlichen Heilstoffen oder sind diesen synthetisch nachgebildet.

Artenvielfalt in Gefahr

Diese Ressourcen sind in Gefahr: Ungefähr 25 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten weltweit gelten aktuell als gefährdet – damit sind fast eine Million Arten innerhalb der nächsten Jahrzehnte vom Aussterben bedroht. Allein in den Tropen, die eine besonders hohe Biodiversität aufweisen, gingen zwischen 2010 und 2015 32 Mio. Hektar Wald verloren.

Im Dezember 2022 wurde auf der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal das „Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“ verabschiedet. Darin wurden vier langfristige und 23 mittelfristige Ziele festgelegt, mit denen der Verlust der biologischen Vielfalt gestoppt und eine Trendumkehr erreicht werden soll. So sieht die Abschlussvereinbarung unter anderem vor, mehr Naturschutzgebiete auszuweisen, geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen und umweltgefährdende Subventionen zu reduzieren. Unternehmen werden dazu verpflichtet, Rechenschaft darüber abzulegen, wie sie zum Verlust von Biodiversität beitragen, aber auch, wie sie davon betroffen sind.

Wie ernst man das Thema mittlerweile nimmt, zeigt der Blick auf die Konferenzteilnehmer: Mit rund 1.400 Unternehmensvertretern war die Montreal-Konferenz deutlich besser besucht als die Vorgängerkonferenz 2019. Für Unternehmen ist der Schutz der Biodiversität aus unterschiedlichen Gründen relevant. Zum einen kann der Verlust von Artenvielfalt und Ökosystemen konkrete Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit haben. Nach Schätzungen des World Economic Forum erwirtschaften Branchen, die hochgradig von der Natur abhängig sind, rund 15 Prozent des weltweiten BIPs, hinzu kommen weitere 37 Prozent, die moderat abhängig sind − insgesamt eine Wirtschaftsleistung von rund 44 Billionen US-Dollar. Zu den am stärksten abhängigen Branchen zählen dabei der Bausektor, die Landwirtschaft und der Ernährungssektor.

Zum anderen beeinflusst das Thema neben wirtschaftlichen zunehmend auch rechtliche Aspekte. Da ist zunächst die EU-Taxonomie. Bislang liegen hier die Kriterien für die ersten beiden Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ vor. Die Kriterien für die vier anderen Umweltziele, darunter „Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität“ sollen in diesem Jahr folgen, das Beratergremium Platform on Sustainable Finance hat bereits eine Blaupause für entsprechende technische Empfehlungen vorgelegt. Daneben weiten verschiedene Reporting-Standards wie das International Stability Standards Board (ISSB) oder die „CSRD-Richtline zur Nachhaltigkeitsberichterstattung“ die Berichtspflichten von Unternehmen in Bezug auf deren Einfluss auf die Biodiversität aus und erhöhen so den Druck.

Risiken für Banken steigen

Damit bekommt die Biodiversität auch für Banken einen hohen Stellenwert. Denn Risiken, die auf Unternehmensseite entstehen, können schnell zu Kreditrisiken werden. Mehrfach hat die EZB darauf hingewiesen, dass Risiken, die aus einer Reduzierung der Artenvielfalt resultieren, eine Risikoquelle für einzelne Finanzinstitutionen und damit für das Finanzsystem insgesamt sein können. Die EZB hat 2020 einen Leitfaden herausgegeben, in dem sie ihre Erwartungen an die Banken bezüglich des Umgangs mit Klima- und Umweltrisiken, darunter auch den Verlust von Biodiversität, festgelegt hat. Alle Kreditinstitute in ihrem Aufsichtsbereich sollen bis spätestens Ende 2024 diesen Erwartungen entsprechen.

Seit 2019 haben Banken weltweit, darunter auch die ING, die „Principles for Responsible Banking“ (PRB) der Vereinten Nationen unterzeichnet. Die heute über 300 Unterzeichner verpflichten sich damit, ihre Strategie und ihre Geschäftspraktiken mit den globalen und lokalen Klima- und Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen sowie entsprechende Ziele festzulegen und umzusetzen.

Konkret geht es dabei um den Dialog mit den eigenen Kunden. Wie lässt sich negativer Impact vermeiden oder wenigstens reduzieren? Wie kann ein Geschäftsmodell so gestaltet werden, dass die Natur respektiert wird, und auch: wie kann die Bank diesen Wandel unterstützen?

Die Artenvielfalt wird durch verschiedene Faktoren gefährdet: durch Änderung der Landnutzung, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die Umweltverschmutzung, den Klimawandel und die Ausbreitung invasiver Arten. Hier können die Banken ansetzen. So hat etwa die ING bestimmte Projekte und Geschäftsaktivitäten von vornherein von Finanzierungen ausgeschlossen, wenn sie Einfluss auf hochwertige, sensible Ökosysteme haben.

Daneben wird das Kreditportfolio durchleuchtet, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Branchen den stärksten Einfluss auf die Biodiversität haben. Für die Branchen Chemie, Energie, Land- und Forstwirtschaft, Produktion, Metall und Bergbau sowie Verkehr, die hier eine besondere Relevanz haben, gelten verschärfte Anforderungen mit Blick auf die genannten Risikofaktoren.

Grüne Finanzierungen als Hebel

Rund 200 Mrd. US-Dollar sind im Rahmen des „Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“ jährlich dafür vorgesehen, davon rund 20 Mrd. US-Dollar als Unterstützung der Industrieländer an Entwicklungsländer, in denen sich ein Großteil der Artenvielfalt der Erde befindet. Gleichzeitig sind Banken aber auch in ihrer Funktion als Kapitalsammelstelle gefragt, wenn es darum geht, die finanziellen Mittel für entsprechende Initiativen zu mobilisieren und in die richtigen Bahnen zu lenken.

Um Kapital dort einzusetzen, wo es benötigt wird und gleichzeitig einen Hebel zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsperformance der Unternehmen zu haben, sind Finanzierungslösungen wie an ESG-Kriterien gekoppelte Kredite bzw. Anleihen sinnvoll. Sie belohnen Fortschritte und Veränderungen beim Schutz von Natur und Klima, indem etwa die Zinszahlungen an das Erreichen bestimmter Ziele – wie die Verbesserung der Entsorgung, die Erhöhung des Recycling-Anteils, Bodenschutz oder ein verantwortungsvolles Beschaffungsmanagement − verknüpft sind.

Unternehmen und Banken sehen sich hohen gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber, den Schutz der Biodiversität zu priorisieren. Ihre Interessen sind dabei komplementär. Sie sollten deshalb gemeinsam Mittel und Wege ausloten, um die Transformation weiter voranzutreiben.

Gastbeitrag von Booy Rodermond, Global Sustainability Advisor bei der ING Group und Stefan Zeller, Sustainable Finance Lead bei der ING Deutschland
18.03.2023, Börsen-Zeitung, Sonderbeilage "Nachhaltigkeit"