Cookie settings

Cookies are small text files stored on your device to identify you and can be used to remember user preferences and analyse traffic to further improve our website. We may share information about your use of our site with our social media, advertising and analytics partners. By clicking "Accept all cookies", you agree to the use of all cookies as described in our cookie statement or "Accept only essential cookies" to only use cookies that are necessary for the functioning of our site.

Read our cookie statement here.

You can choose to adjust your preferences at any time.

Wholesale Banking

Der steinige Weg zur Netto-Null in der Fleisch- und Milchindustrie

Eine wachsende Anzahl großer europäischer und amerikanischer Unternehmen der Fleisch- und Milchindustrie haben sich zum Ziel gesetzt, ihre Emissionen bis 2030 zu reduzieren und bis 2050 die Netto-Emissionen auf null zu senken. Ökonomen der ING zufolge benötigen die großen europäischen Unternehmen 5 bis 10 Mrd. Euro, um ihre Reduktionsziele bis 2030 zu erreichen.

Die Liste der Unternehmen der Fleisch- und Milchindustrie, die kürzlich ihre Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen angekündigt oder aktualisiert haben, wächst: Fast 65 % der 50 größten Unternehmen dieser Branche in Europa und Nordamerika haben konkrete Ziele veröffentlicht, ein Viertel strebt ausdrücklich an, im Jahr 2050 Netto-Null erreichen zu wollen. Etwa 35 % der analysierten Unternehmen haben jedoch noch keine Ziele veröffentlicht.

In der Branche scheint jedoch Konsens darüber zu bestehen, welches Maß an Reduzierungen möglich ist, denn die Molkereikonzerne FrieslandCampina und Arla sowie die Fleischkonzerne Danish Crown, Tönnies und Vion, haben sich ganz ähnliche Ziele gesetzt: die Molkereien beispielsweise wollen zwischen 2015 und 2020 die Scope-1- und -2-Emissionen von Gebäuden und Produktionsanlagen, Fahrzeugen und bezogener Energie bis 2030 um 40 % zu verringern, während der geplante Durchschnitt der Fleischunternehmen bei 35 % liegt.

 

Quelle: Company information, ING Research *Only applies to companies that have announced targets for scope 1, 2 and 3 **assuming that production volumes remain stable 

Etwas weniger als die Hälfte der Unternehmen in der Fleisch- und Milchindustrie haben sich auch ein Ziel für Scope-3-Emissionen gesetzt. Das sind die Emissionen, die entstehen, bevor und nachdem die Produkte die Fabrik verlassen. Sie werden vor allem in landwirtschaftlichen Betrieben erzeugt, etwa bei der Gewinnung von Rohstoffen, der Herstellung von Verpackungsmaterial oder durch den Transports von Dritten. Diese indirekten Emissionen sind besonders relevant, da sie einen Großteil aller Emissionen in der Wertschöpfungskette ausmachen – etwa 90 % bei Fleisch- und bis zu 95 % bei Milchprodukten. Deshalb sind die gesetzten Scope-3-Ziele von Unternehmen im Vergleich zu den Scope-1- und Scope-2-Zielen in der Regel etwas niedriger, obwohl sie aufgrund ihrer Signifikanz zu einer höheren absoluten Emissionsminderung führen können.

Hindernisse überwinden

Die Ziele von Unternehmen der Fleisch- und Milchindustrie, ihre Emissionen zu senken, werden immer konkreter. Wie sie diese erreichen wollen, ist jedoch oftmals noch unklar. Zwischen Plan und Realisierung stehen nämlich drei Hürden, die es zu nehmen gilt:

  1. Wirtschaftliche Abhängigkeiten: Konkrete Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Emissionen erfordern in der Regel Investitionen oder führen zu zusätzlichen Kosten. Einige Maßnahmen haben zwar einen finanziellen Nutzen, aber in den meisten Fällen müssen die entstandenen Mehrkosten auf die Verbraucher abgewälzt werden. Sind Verbraucher nicht bereit diese Mehrkosten zu tragen und vor allem besteht für Unternehmen keine rechtliche Verpflichtung für emissionsmindernde Schritte, so mindert dies ihren Investitionswillen.
  2. Technologische Entwicklungen: Die Messung und Nachverfolgung von Emissionen finden zunehmend Anwendung, sind aber noch immer nicht Usus. Hinzu kommt, dass einige der angestrebten Einsparungen von Scope-3-Emissionen auf Technologien basieren, die in großem Umfang noch nicht zum Einsatz gekommen sind oder sogar erst noch entwickelt werden müssen.
  3. Kulturelle Korrelation: Die Verpflichtung der fleisch- und milchverarbeitenden Betriebe, bestimmte Emissionsziele zu erreichen, hängt stark von der Investitionsbereitschaft der landwirtschaftlichen Betriebe und anderer Zulieferer ab. Darüber hinaus braucht es, damit in diesen Betrieben Emissionen gesenkt werden können, neue Arbeitsweisen – die einige umsetzen werden, andere jedoch nicht. Aufgrund dieser Abhängigkeit sind Scope-3-Ziele mit mehr Einschränkungen und einem höheren Maß an Unsicherheit behaftet.

Leichter: Reduktion der Emissionen bei den eigenen Aktivitäten

Bei der Senkung der Emissionen in der Fleisch- und Milchverarbeitung geht es vor allem um die Verbesserung der Energieeffizienz, die Elektrifizierung der Produktionsprozesse und die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen. Es wird mehrere Investitionszyklen erfordern, um näher an die Emissionswerte von Null heranzukommen – der Weg dorthin ist jedoch ziemlich geradlinig. Viele haben bereits in Sonnenkollektoren oder Biogasanlagen an Produktionsstandorten investiert, um den Anteil der erneuerbaren Energien an ihrem eigenen Energieverbrauch zu erhöhen.

Schwieriger: Reduktion der Emissionen in der Wertschöpfungskette

Der überwiegende Teil des Emissionsaufkommens stammt von den Rohstoffen und Verpackungen, die die Unternehmen einkaufen. Das ist der schwierigste Teil, zum einen, weil er eine enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Zulieferern erfordert, und zum anderen, weil diese Kollaboration von zahlreichen Faktoren mit unterschiedlichem Potenzial abhängt. In den landwirtschaftlichen Betrieben geht es beispielsweise um die Verringerung des CO2-Fußabdrucks der Nutztiere, um die Umstellung auf nachhaltigere Futtermittel, um die umweltverträglichere Verarbeitung von Gülle und um den betriebseigenen Energieverbrauch. In der nachgelagerten Wertschöpfungskette bieten verbesserte Kunststoffverpackungen und emissionsfreie oder emissionsarme Transporte das größte Potenzial – vor allem in der Wahrnehmung beim Verbraucher. Ein Faktor, der in den Nachhaltigkeitsstrategien der Unternehmen oftmals weniger Beachtung findet, ist, dass Unternehmen ihr Produktportfolio auch auf Produkte mit geringeren Emissionen ausrichten könnten – also bei der Entwicklung neuer Produkte die Klimabilanz im Auge behalten und bestehende Produkte so umgestalten, damit die Emissionsintensität sinkt.

Quelle: Company information, ING Research

CO2-Kompensation als Lösung?

Auch wenn es viele Möglichkeiten gibt, den CO2-Fußabdruck zu verringern, sind gewisse Emissionen bei der Produktion von Fleisch- oder Milchprodukten unvermeidlich. Dies ist auch der Grund, warum sich Unternehmen für die Kompensation von Emissionen innerhalb oder außerhalb ihrer eigenen Lieferkette entscheiden. Die wirksamste Methode innerhalb der Lieferkette ist die CO2-Speicherung in den Böden. Dies geht häufig mit dem Bestreben in Richtung regenerative Landwirtschaft einher. Aufforstung beispielsweise könnte für Betriebe, die extensiven Anbau betreiben, eine Alternative darstellen. Allerdings dürfte dafür der Platz auf den Weideflächen begrenzt sein. Erschwerend hinzu kommt, dass der Verwaltungsaufwand, um die gepflanzten Bäume ordnungsgemäß zu dokumentieren, verhältnismäßig hoch ist.

In beiden Anwendungsfällen müssen in den Strategiepapieren der Unternehmen sämtliche Einzelheiten aufgeführt werden: unter anderem, wie genau CO2 gebunden wird und vor allem längerfristig gebunden bleibt – insbesondere, da Bäume absterben und so die Böden beeinträchtigt werden können. Aus diesem Grund ist es für Unternehmen immer noch praktischer und sogar billiger Zertifikate zur Vermeidung oder Beseitigung von CO2 zu kaufen, da sie eine Sofortlösung darstellen. Der Emissionshandel hat jedoch Schwächen, denn die Glaubwürdigkeit und Transparenz von Kompensations-Zertifikaten wird oftmals kritisiert und stellt somit eine Herausforderung dar.

Die Kosten zur Verringerung von Emissionen variieren

Bei den Kosten, die Unternehmen für Maßnahmen zur Reduzierung von Emissionen aufbringen müssen, kann es je nach den örtlichen Gegebenheiten zu erheblichen Unterschieden kommen. Zu den kostengünstigeren und oftmals schnell umsetzbaren Möglichkeiten zählen Energiesparmaßnahmen. Alternativen, wie die Einführung einer emissionsfreien Logistik oder die eigene Erzeugung von erneuerbaren Energien sind meist kosten- und zeitintensiver. Die Ökonomen der ING schätzen, dass die 30 größten europäischen Produzenten von Fleisch- und Milchprodukten 5 bis 10 Mrd. Euro benötigen, um ihre gesteckten Ziele zur Emissionsreduktion zu erreichen.

Subventionen erleichtern den Übergang

Der Großteil der anfallenden Kosten für emissionsmindernde Maßnahmen bei Lebensmitteln werden von der Industrie getragen, dies ist aber nicht die einzige Finanzierungsquelle zu mehr Nachhaltigkeit. Subventionen können einen Teil der Transitionskosten abfedern, Innovationen der Unternehmen fördern und vor allem zu einer breiteren Akzeptanz von Technologien in der Landwirtschaft führen.

Politische Entscheidungsträger betrachten darüber hinaus die regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in der Fleisch- und Milchindustrie. Ein Beispiel dafür sind die Bemühungen der EU für eine CO2-arme Landwirtschaft: Das könnte zur Folge haben, dass Lebensmittelhersteller in Zukunft möglicherweise in Emissionshandelssysteme einbezogen werden. Der Emissionshandel könnte demnach einen weiteren Beitrag zur Finanzierung von emissionsmindernden Maßnahmen für landwirtschaftliche Betriebe leisten, vorausgesetzt, Landwirte können sich ihre getroffenen Maßnahmen verifizieren lassen und Emissionsminderungszertifikate auf dem freiwilligen oder dem verpflichtenden Kompensationsmarkt anbieten. Gerade für Unternehmen der Fleisch- und Milchwirtschaft sind die Entwicklungen in diese Richtung von zentraler Bedeutung, da sie zusätzliche Anreize zur Reduzierung von Scope-3-Emissionen bieten und den Sektor zu seinem Weg zur Netto-Null bis 2050 unterstützen könnte.