Das Corona-Virus hat auch die internationale Wirtschaft längst fest im Griff. Lieferketten greifen nicht mehr ineinander Produktionsstätten müssen temporär schließen und Unternehmen melden Kurzarbeit für ihre Beschäftigten an. Was bedeuten diese Entwicklungen für den Transport- und Logistiksektor? Welchen Herausforderungen müssen sich die Unternehmen aktuell stellen und gibt es bereits erste Ansätze für die Zeit nach der Krise?
Innerhalb des Transport- und Logistiksektors leiden drei Branchen besonders unter der Corona-Krise: die Luftfahrt-, die Automobil- und die Schifffahrtsbranche. Dadurch, dass die Flugzeugflotten seit einiger Zeit fast vollständig am Boden bleiben, ist der Luftfahrtsektor zu einem nahezu vollständigen Stillstand gekommen. Die meisten Fluggesellschaften sind auf irgendeine Form staatlicher Unterstützung angewiesen, sogar die deutsche Lufthansa ist mit der Bundesregierung im Gespräch über staatliche finanzielle Hilfen. Da die meisten Airlines allerdings auch eine strategische Bedeutung für ihr Land haben, dürften zumindest einige Fluggesellschaften diese dringend benötigte Unterstützung auch erhalten.
Der Automobilsektor wiederum kämpft seit Beginn der Corona-Krise mit Werksschließungen und Unterbrechungen in den Lieferketten. Die Produktion wird zwar allmählich wieder aufgenommen, aber der Sektor leidet unter sehr schwachen Neuwagenverkäufen, die während der Krise eingebrochen sind. Auch in diesem Sektor haben die größeren Akteure mit ausreichend finanziellen Reserven einen Vorteil, die Krise zu bewältigen.
In der Schifffahrt hingegen zeigt sich ein gemischtes Bild: Unternehmen im Tankersegment verzeichnen Rekordgewinne, was auf den dramatischen Verfall der Ölpreise und den Mangel an Öllagern zurückzuführen ist. Unternehmen, die im Dry-Bulk-Markt und der Containerschifffahrt tätig sind, durchleben deutlich schwierigere Zeiten. „Ein kleiner Trost ist, dass der Schifffahrtssektor seit jeher starken Schwankungen unterliegt. Die Erfahrung unserer Kunden im Umgang mit schwierigen Situationen zahlt sich jetzt aus“, sagt Gerlach Jacobs, Global Sector Head Transport & Logistics der ING.
Insgesamt wurden in der Luftfahrt-, Automobil- und Schifffahrtsbranche drastische Maßnahmen ergriffen, um ausreichende Liquidität für die Krisenzeit zu sichern. Nicht nur staatliche Hilfen, auch die Banken spielen hierbei eine entscheidende Rolle. „Wir waren an mehreren Corona-bedingten Kreditlinien beteiligt, um unsere Kunden mit zusätzlicher Liquidität zu versorgen.“, sagt Jacobs. „Unser Ziel ist es für unsere Bestandskunden da zu sein und sie in dieser herausfordernden Situation bestmöglich zu unterstützen.“
Sektoren im Umbruch: Trends setzen sich fort oder werden beschleunigt
Neben allen Herausforderungen bietet die aktuelle Situation auch Chancen, besonders auf dem Weg aus der Krise. Der Automobilsektor befindet sich nicht erst seit Corona in einem tiefgreifenden Wandel. Bereits seit einiger Zeit investieren die Automobilunternehmen zunehmend in die Elektrifizierung von Fahrzeugen und Konzepte wie „Mobility-as-a-Service“. Je nachdem, welche Anreize und Rahmenbedingungen die Politik künftig setzt, wird sich diese Entwicklung auch nach Corona weiter fortsetzen.
Im Luftfahrtsektor hingegen sind eine Reihe grundsätzlicher, struktureller Veränderungen zu erwarten. Künftig könnte etwa der Fokus der Luftfahrt noch stärker auf dem Thema Nachhaltigkeit liegen. Schon jetzt könnten Liquiditätshilfen beispielsweise mit Nachhaltigkeitsverpflichtungen der Unternehmen verknüpft werden. Mittelfristig könnte die Regulierung zugunsten von mehr Nachhaltigkeit in bestimmten Regionen bei Kurzstreckenflügen zusätzlich verschärft werden. Auch der Schifffahrtssektor hat bereits vor der Corona-Krise begonnen, sich nachhaltiger aufzustellen. Anfang 2020 ist beispielsweise die IMO 2020 in Kraft getreten, eine globale Regelung, die die Verwendung von sauberem, schwefelarmen Bunkertreibstoff oder alternativ die Umrüstung auf Schiffen zur Reduzierung der Emissionen vorsieht.
Initiativen für mehr Nachhaltigkeit könnten für den Transport- und Logistiksektor ein Weg sein, sich künftig krisenfester aufzustellen. Neben Zukunftsinvestitionen stellt sich allerdings die Frage, wie viel Liquiditätspuffer Unternehmen in der Branche für mögliche Krisen in der Zukunft bereithalten sollten. Dies wird maßgeblich von der Dauer der Krise und deren Bewältigung beeinflusst. Beide Variablen sind derzeit allerdings so ungewiss wie nie und werden Unternehmen wie Banken künftig stärker beschäftigen.
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